10 Jahre eBuch — eine Idee verändert den Buchhandel


Wenn dir jemand erzählt, deine Idee sei verrückt — höre nicht auf ihn.“
— PC-Milliardär Michael Dell

Die eBuch war von Anfang an eine „verrückte“ Idee. Buchhändlerinnen und Buchhändler sind doch sooo individualistisch – die sollten sich zusammenfinden können? Gar ihre strengst gehüteten Daten zum Zwecke der Marktforschung preisgeben? Am Ende noch zusammen einkaufen und damit auch Erfolg haben?

Ganze 15 Optimisten wollten im Mai 2000 daran glauben. Inzwischen sind es über 1.000 Buchhändlerinnen und Buchhändler in über 500 Buchhandlungen, und die verrückte Idee feierte 2010 ihr 10-jähriges Jubiläum.


Vorwort

Liebe eBuchler,

„Die Tat unterscheidet das Ziel vom Traum.

Als „Geburtshelfer“ möchte ich Ihnen zu Ihrem 10-jährigen Geburtstag gratulieren. Mehr als 500 Mitglieder, kontinuierliches Wachstum und einen nicht abreißenden Strom an neuen Ideen, die dem unabhängigen Buchhandel das Leben erleichtern.

Wer hätte das gedacht, nach all den gescheiterten Versuchen und bei den vielen kritischen Stimmen vor 10 Jahren? Was Sie aus der Idee in den letzten Jahren gemacht haben, darf Sie mit Stolz erfüllen:

Abgesehen von dem Schweizer Buchzentrum, ist die eBuch heute die einzig erfolgreiche Kooperation unabhängiger Buchhändler im deutschsprachigen Raum.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Idee ein langes Leben und weiterhin viel Erfolg! Lassen Sie sich nicht entmutigen. Nicht von der produktiven Reibung, die in einer ehrgeizigen Genossenschaft einfach dazu gehört, nicht von den Großen der Branche und nicht von den zahlreichen Untergangsszenarien zur Lese- und Buchkultur.

Ihr Markus Conrad

Dr. Markus Conrad, Vorsitzender des Vorstandes der Tchibo GmbH

01. Mai 2010
10 Jahre eBuch!

„Dies war für mich ein denkwürdiger Tag, da er gewaltige Veränderungen in mir bewirkte. Doch das gibt es in jedem Leben. Man stelle sich vor, ein ganz bestimmter Tag würde daraus gelöscht, und überlege dann, wie anders dieses Leben verlaufen wäre. Du, der Du liest, halte ein und denke für einen Augenblick an die lange Kette aus Eisen oder Gold, aus Dornen oder Blumen, die Dich niemals gefesselt hätte, wäre nicht an einem denkwürdigen Tage ihr erstes Glied geschmiedet worden.“

Charles Dickens


01. Mai 2010, Neuendettelsau
„Ein Leben ohne Feste ist eine weite Reise ohne Gasthaus.“
Demokrit, 460–380 v. Chr.

Den ersten Abschnitt einer – hoffentlich noch sehr weiten – Reise haben wir miteinander bewältigt. Jetzt, wo wir so gemütlich in unserem Gasthaus hier bei Pfarrer Herzog eingekehrt sind, möchte ich Ihnen von einigen dieser denkwürdigen Tage erzählen, ohne die es die gemeinsame eBuch-Reise nicht so oder vielleicht überhaupt nicht gegeben hätte.

War das alles Zufall? Oder Schicksal? Ein gutes Karma, das uns begleitet hat, oder gar ein höherer Plan – wie das unser Gastgeber vielleicht nennen würde? Lassen Sie mich beispielhaft von einigen dieser Zufälle erzählen.

2009 Fürth
Zufall oder Karma?

Das neue Gesicht der eBuch ist sicher das, was wir gesucht haben, ohne zu wissen, dass wir es suchen. Eine spanische Delegation hat nur wegen dieses schönen Motivs auf der Buchmesse unseren Stand betreten. Wie kann jemand unsere Ideen, bevor wir sie überhaupt geäußert haben, in so wunderbare Bilder gießen? Oder vielmehr: Wie findet man so jemanden?

Zwei kleine Mädels spielen im Sandkasten miteinander, verlieren sich aus den Augen und begegnen sich nach vielen, vielen Jahren wieder, rein zufällig auf einem vernieselten Altstadtfest, ihre respektiven Männer im Schlepptau. Jetzt aber! Eine Kneipe wird aufgesucht und die Worte und Geschichten fliegen zwischen den Frauen hin und her, stundenlang. Was tun die Männer in so einem Fall? Es gibt ja nur zwei Themen unter Männern, Fußball oder Beruf. Mit Fußball haben beide nichts am Hut, also Beruf. Es stellt sich heraus, dass der eine Grafiker ist. Und der andere einen sucht. So bekommt die eBuch endlich ihr so lange gesuchtes Gesicht. Ein paar Minuten früher oder später – und die Sandkastengespielinnen, Frau Löwe und Frau Schwarz, hätten sich verpasst … Zufall oder Karma?


1965 Düsseldorf
Der junge Mann ist nervös
Wird er das Abitur schaffen? Ein Freund der Familie beruhigt ihn: Wenn‘s schiefgeht, dann fängst du bei mir an und wirst Buchhandels- und Verlagskaufmann. Oje, Buchhandel? Verlag?

Natürlich hat der junge Mann das Abitur dann mit Bravour geschafft – aber die angebotene Azubi-Stelle trotzdem wahrgenommen. Und musste anschließend gegen das Märchen kämpfen, er habe das Abi NICHT geschafft, warum sonst hätte er diesen Job annehmen müssen?

Angestachelt davon, will er den Kollegen zeigen, was er drauf hat und bastelt baldigst eine flotte Hauspostille. Die kommt so gut an, dass die Idee, den damals noch sehr verstaubten Buchhandel mit einem frischen Branchenmagazin aufzumischen, nicht völlig aberwitzig erschien. Allenfalls ein bisschen. Ein großes bisschen, vor allem, wenn man sein Alter bedenkt: Mit unglaublichen 20 Jahren wurde CvZ Erfinder und Chefredakteur des BuchMarkt – und gilt mit Fug und Recht schon lange als Doyen der Branchenpresse.

Wie viel das mit der eBuch zu tun hat, wird er selbst kaum wissen, zu viele spannende Themen sind in den Jahren über seinen Tisch und durch sein Heft gegangen – nun, er soll‘s erfahren.

1975 Nürnberg
Glüht die Hardware sinnlos vor sich hin?
So groß wie amerikanische Kühlschränke waren die Geräte der Computerfirma und das Business bestand au 90 % Hardware und 10 % Software.

Die GfK in Nürnberg verfügte über eine ganze Reihe solcher „Trümmer“, und Manfred Kerbetz‘ Aufgabe war es, das Personal der GfK auf die 10 % Software so einzuordnen, dass die 90 % Hardware nicht sinnlos vor sich hin glühten.

Einer seiner Lehrgangsteilnehmer: der junge Holm Löwe, aufstrebender „Erbsenzähler“ im Hause. Beim Bier kam dann die Schnapsidee: selbstständig machen, dem Moloch GfK entfliehen. Prima, den Software-Erklärbär hatte man, den Software-Vertriebslöwen auch, fehlte nur noch das Softwareprodukt oder besser: der passende Entwickler. Gesucht, gefunden: ein anderer GfK-Mitarbeiter hatte einen kleinen Bruder, der dem gesuchten Anforderungsprofil genau entsprach.


1975 Nürnberg
Ob sich Steve Jobs noch an Horst Wobig erinnert?
An „HJW“, Hardcore-Computerhacker, der sich von Bits und Bytes, Cola und Nikotin ernährte und das liebevoll von der Mutter vor die Tür gestellte Essen schon mal zwei Tage unberührt stehen ließ?

Stattdessen lötete er lieber eine Großrechner-Floppy an den ersten brauchbaren Heimcomputer, einen Apple II, und brachte die Jungs in der Apple-Garage in Cupertino mit präzisen Fehlerberichten auf Trab. Ob sich Steve Jobs noch an Horst Wobig erinnert, ist nicht überliefert, aber wenn Sie sich fragen, warum die Software der eBuch über Jahre so präzise und fehlerfrei läuft, dann wissen Sie es jetzt.

1980 Cambridge
Dem jungen Mann ist langweilig, sterbenslangweilig
Das Städtchen ist hübsch, aber ländlich ruhig:

Die Einheimischen sind genauso skurril wie bei Asterix beschrieben. Sie schütten sich im Pub das Bier in den Hals, als gälte es eine Wette zu gewinnen, und hören schlagartig um 10:00 Uhr abends damit auf, wenn die große Klingel so lange schrillt, bis der Letzte den Laden verlassen hat. Am Wochenende gehen sie aufregenden Beschäftigungen nach.


1980 Cambridge
Eine Viertelstunde früher oder später

… und irgendein Tisch wäre frei gewesen für das Pärchen, das gerade hereinkommt. So aber müssen sie auf die beiden freien Stühle an meinem Tisch rekurrieren:

Mario Domig fragt in bestem Englisch höflichst, ob man sich niederlassen dürfe. Diese eine Viertelstunde wird – 10 Jahre später – mein Leben nachhaltig beeinflussen, wie wohl kaum eine andere Viertelstunde.

1990 Mindelheim
Herby hat ein Häuschen.
Stimmt nicht. Herbys Oma hat ein Häuschen. Stimmt auch nicht. Die Oma von Herbys Frau hat ein Häuschen. Mit Ladengeschäft, das aber leer steht.

In der hintersten Ecke der Mindelheimer Altstadt, gewaltige 35 qm groß, aber nur, wenn man das Büro mitzählt, das selbst Zwerge wie ich leider nur gebückt betreten können, denn die Raumhöhe beträgt knapp 1 Meter 60.

Herby will einen Laden aufmachen, Musik vielleicht, CDs und so. Vielleicht aber auch Bücher? Es gibt ja nur vier Konkurrenten am Ort. Bei der Musik keinen einzigen, da wäre er konkurrenzlos. Es werden trotzdem die Bücher. Im ersten Weihnachtsgeschäft stehen die Kunden in Eis und Schnee auf der Straße Schlange, dürfen einmal gegen den Uhrzeigersinn um die Säule in der Mitte des Ladens kreisen, dabei aus den Regalen greifen, was da ist, und dann direkt an der Tür bezahlen. Was vergessen? Gegen die Richtung zurück? Keine Chance, so dicht gepackt stehen die begeisterten Kunden. Kein Wunder, dass Herby heute in Mindelheims Einkaufsmeile auf 200 qm der Platzhirsch ist. Mit CDs wäre dieser dauerhafte Erfolg wohl kaum möglich gewesen, das wissen wir heute. Aber vor allem hätte die eBuch dann auch keinen Herby Thurn, und warum das wichtig ist, davon später.


1990 Düsseldorf
Mario ruft an, …
… er hat genug vom Modeln und Taxifahren, das Singen im Obertonchor nährt die Seele, aber nicht den Magen, er will eine Buchhandlung aufmachen. Eine esoterische, denn über Klangschalen, Kristalle, Meditationskissen und Räucherstäbchen weiß er alles.

Vom Buchhandel allerdings nichts. Ich auch nicht, das trifft sich gut. Allerdings weiß er, dass ich inzwischen das Datenbänkern ein wenig gelernt habe, und nun hat er die grandiose Idee seine Buchhandelsunkenntnis mit Hilfe eines Computerprogramms zu heilen.

Eine Warenwirtschaft soll es werden mit Kasse, Kunden etc. Ein Wochenende planen wir ein dafür. Die Entwickler hier im Publikum dürfen jetzt hämisch lachen.

Zwei Jahre später brummt seine Buchhandlung und aus dem einen Wochenende sind Hunderte von Stunden geworden, aber er hat genau bekommen, was er sich ausgedacht und bestellt hat. Und er hat inzwischen in seinem esoterischen Bekanntenkreis „sein“ TANGO ein halbes Dutzend Mal verkauft.

1990 Düsseldorf
„Da geht doch noch viel mehr“,
sagt Josef, der im Haus wohnt, „da muss Presse her, lass mich mal machen. In Düsseldorf, da sitzt doch der Buchmarkt ...“ Und Josef nervt so lange herum, bis sich Cheffe persönlich auf den Weg macht, um Marios Programm zu begucken.

Noch ein EDV-Programm, das den Buchhandel revolutionieren soll – CvZ hat doch schon alles gesehen. Dementsprechend genervt ist er von dem Termin bei glühender Sommerhitze …

Als aber während der Vorführung das Telefon klingelt und Mario, ohne den Telefonhörer aus der Hand zu legen, ohne aufzustehen oder sich umzudrehen, mit nur einem Finger der freien Hand und wenigen Tastendrücken der Kundin sagen kann, dass ihr Buch hinter ihm im Abholfach steht, da ist seine professionelle Neugier geweckt, so was hat er noch nicht gesehen. Und er schreibt einen besonderen Artikel, der Mario umgehend einen Anruf beschert: Rainer Weithoff in Köln wird der erste nicht esoterische Tangist – und ist heute unser fliegender Buchhändlerkollege.

Auf der folgenden Buchmesse überrennen die Buchhändler den Stand. Mario, der über eine professionell ausgebildete Sing-Stimme verfügt, kann am Sonntagabend nur mehr krächzen, fünf Tage lang hat er ununterbrochen Buchhändlerkollegen bezirzt und TANGOs verkauft.


1996 Frankfurt
Ein TANGO-Handbuch muss keine Tanzanleitung sein

Der junge Mann im Parka, der den kleinsten Tango-Stand gleich mit seinem großen Rucksack zustellt, ist eigentlich nur gekommen, um zu jammern, sich zu beschweren. Das Software-Handbuch ist schrecklich, da steht ja nur die Hälfte drin …

Eine Stunde später hat er den Auftrag akzeptiert, ein neues Handbuch zu schreiben. Und muss später, als das Werk als Book-on-Demand-Titel verlegt ist, mehrfach das Missverständnis aufklären, dass ein TANGO-Handbuch keine Tanzanleitung sein muss. Aber vor allem war seine Beschwerde der Beginn einer wunderbaren Freundschaft vieler Buchhändler zu unserem allseits geschätzten fliegenden eBuch-Techniker!

Heiko, ist übrigens nur deswegen bei der eBuch gelandet und nicht Profi-Musiker geworden, weil er unter Lampenfieber leidet. Wer hat ihm diese Malaise beschert, damit er stattdessen zur eBuch findet?

1996 Frankfurt | 1997 Würzburg
Hast Du schon gelesen?“

Holger Schlecht, den ich aus vielen Sitzungen bei der IBU, BAG und VLB kenne, ist ganz aufgeregt. Karel von Miert, der EU-Kommissar, will gegen die deutsche Preisbindung vorgehen.


1997 Würzburg
Na und?“ …
… frage ich, etwas naiv, zurück. Holgers Stimme kommt wie aus dem Grab: „Dann sterben alle kleinen Buchhändler – und wir gleich mit!“ Er weiß auch, was man tun muss:

Zusammen haben wir genug Kunden, um vielleicht gemeinsam einzukaufen, den Verlagen Preisgarantien abzuverlangen und die unabhängigen Buchhändler zu retten. Dazu müssen die aber unter einen Hut, sprich, unter ein gemeinsames Softwaredach, sonst klappt das nicht. Er überredet mich, mit ihm auf die Cebit zu fahren, er kennt da ein Werkzeug, mit dem man ERFA und TANGO gemeinsam in die Windows-Welt befördern könnte. Der Name des Werkzeug verspricht viel: es heißt MAGIC. Und der deutsche Vertrieb von MAGIC sitzt in Schwabach. Mit der Hilfe von Softpoint wird die Portofino aus der Taufe gehoben.

Aus den gemeinsamen Portofino-Kundenseminaren geht später die eBuch hervor. Und alles nur, weil Karel von Miert dem armen Holger Schlecht mal einen dollen Schrecken eingejagt hat.

1997
Frau Förster, wollen Sie nicht meine Buchhandlung kaufen?“
Die Geschäftsführerin mag nicht mehr. Zu stressig der Job, die Inhaber wollen ohnehin aufgeben oder verkaufen, und ihr Mann sagt: „Keine Sorge, in meiner Schreinerei finden wir schon eine Beschäftigung für dich.“. Und dann kommt das überraschende Angebot der Besitzerin: „Frau Förster, wollen Sie nicht meine Buchhandlung kaufen?“

Noch mehr Arbeit? Die beiden überlegen: Gemeinsam die Schreinerei oder gemeinsam die Buchhandlung. Jochen feiert seinen 40. Geburtstag und hat einen kleinen Schmerz im Kreuz. Er denkt an seinen Rücken, und wie das mit 60 sein würde in der Schreinerei ... Also wird‘s die Buchhandlung.

Bald lernen die Verlage einen Einkäufer kennen, der seine Lieferanten schon mal deftig bayerisch an der Nase zupft, wenn die Konditionen nicht stimmen.

Und die eBuchhändler klatschen begeistert Beifall! Ist es da wirklich ein Zufall, dass Jochen Förster heute der Zentraleinkäufer der eBuch ist?


1999
Die Perle der eBuch
Überhaupt kein Zufall ist die Perle der eBuch, die Mutter der Kompanie, unsere ewig junge, strahlende Inez Baumann. Wenn es je einen selbstgemachten Plan, wenn es Zielstrebigkeit gab im Zusammenhang mit der eBuch, dann ist sie dafür das Beispiel.

Von der Portofino liest Inez natürlich im Buchmarkt – schon wieder der Buchmarkt – und da sie eine begeisterte Erfa-Buch-Anwenderin und eine begeisterte Buchhändlerin ist, elektrisiert sie die Idee, mit einem Softwareverbund eine Gruppe von unabhängigen Sortimentern zu befeuern. Da will sie dabei sein. Dafür belegt sie sogar noch extra einen BWL-Kurs, das könnte sich in der Bewerbung besser machen. Es funktioniert. Holm Löwe stellt sie ein. Und die eBuch verfügt bei der Gründung gleich über eine hochorganisierte Buchhändlerin und Fachfrau, die man stundenweise ausleihen kann, so wie das wenige Geld am Anfang es halt erlaubt.

Nun kann es losgehen. Auf den Portofino-Seminaren wird Wein mit „pflaumigem“ Abgang serviert, Graham Clack gibt den verrückten Kellner und ganz nebenbei wird die Gründung der eBuch vorbereitet.

2000
Im Haus Lutherrose
Im Mai 2000 trifft man sich bei Pfarrer Herzog im Haus Lutherrose.

Nochmal Diskussion um die zukünftige Satzung und die Höhe der Einlage, dann beschließen 15 mutige Buchhändlerinnen und Buchhändler die eBuch zu gründen. Und wählen als erstes Vorstand und Aufsichtsrat.

Wieder ist es der BuchMarkt, der ausführlichst berichtet: „Die Progressiven der Branche“ heißt der Artikel, und ein kleiner Nebensatz elektrisiert Ulrike Altig in Baden-Baden. Da steht nämlich, die eBuch wolle die Kassendaten ihrer Mitglieder sammeln und daraus Statistiken für die Verlage basteln. Und: Diese Daten könnten auch die GfK interessieren.


2000
Welches Schweinderl hätten‘s denn gerne?“
Die Domäne der media control in Baden-Baden sind die Musikcharts, Marktforschung für die „Major five“. Die GfK macht gerade den Versuch, in dieses Geschäft einzubrechen. So etwas lässt sich ein Karl-Heinz Kögel nicht bieten.

Wer Preise an Menschen wie Juan Carlos von Spanien verleiht, die dafür sogar ins beschauliche Baden-Baden reisen, wer sich mit Bill Clinton duzt, der lässt sich doch nicht so einfach in die Suppe spucken. Wie du mir, so ich dir. Machst du jetzt Marktforschung in Musik, dann mache ich halt dasselbe in deiner Domäne: im Buchhandel. Frau Altig ruft Herby Thurn an. Die entscheidende Frage beim folgenden Meeting war nicht „Welches Schweinderl hätten‘s denn gerne?“ sondern eher: „Sagen Sie uns doch bitte eine Zahl zwischen 1,11 und 9,99!“ Herby Thurn überlegt kurz und antwortet: „Wir entscheiden uns für die 19,99.“ Und er bekommt die 19,99. Dafür muss er allerdings hohe Hürden akzeptieren: 200 Datenquellen in kurzer Zeit. Aber das beflügelt Herby erst recht und er kann schon auf der Buchmesse 2000, ein halbes Jahr später, dem 50. Mitglied einen Scheck überreichen.

2000
Und noch jemand

… hat den Artikel im Buchmarkt gelesen. Der Anruf kommt aus Hamburg. Wenn wir planen sollten, mal gemeinsam einzukaufen, man baue gerade in Bad Hersfeld ein mandantenfähiges Zentrallager, und wenn man in 2–3 Jahren mit den Großkunden, der Mayerschen und Hugendubel, Erfahrungen gesammelt habe, dann sollte man sich doch mal zusammensetzen. Der Anrufer? Schauen Sie einfach, wer das Vorwort geschrieben hat …


2000–2010
Gutes Karma?
Alles andere haben viele von Ihnen selbst miterlebt. Da war natürlich viel Zielstrebigkeit, harte Arbeit, spannende Projekte, Licht und auch Schatten, Kritik aus der Branche und im Innern, keineswegs nur Sonnenschein, aber auch viel Zustimmung, Beifall, Wärme, Einmütigkeit. Und ein nicht zu widerlegendes Argument: Erfolg, demonstriert durch schieres ständiges Wachstum.

Aber bis es dazu kam, bedurfte es vieler denkwürdiger Momente, von denen Charles Dickens sprach. Momente, die die Glieder der Kette bildeten, die zur Gründung der eBuch geführt haben.

Das gute Karma, das freundliche Schicksal, die höhere Fügung oder der große Plan, der uns bis hierher gebracht hat, der kann und wird der guten Sache erhalten bleiben, wenn wir weiterhin zusammenstehen. Aber warum tun wir alle das eigentlich, und warum glauben wir, dass wir berechtigt sind zu sagen, dass das ein gutes Projekt ist, und jeden Segen verdient hat?

„Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott“, sagt der Volksmund gerne, und die eBuchhändler helfen sich selbst: gegenseitig!

2000–2010
Superhirn – Supertruppe – supergut!!!

Originalzitat, frisch aus der letzten Woche: Ein Buchhändler erweitert seinen Laden, will Nonbooks mit hereinnehmen und fragt nach Erfahrungen mit einem bestimmten Hersteller. Einen Tag später schreibt er im Forum:

„Zunächst einmal ganz herzlichen Dank an alle, die sich so schnell gemeldet und ihre Erfahrungen zur Verfügung gestellt haben! Ich kann nur bestätigen:

Superhirn – Supertruppe – supergut!!!“

Aber warum sind unabhängige Buchhändler per se eine gute Sache und jede Unterstützung wert?


2000–2010
Die Feinkostläden der Buchbranche

Auf die Aussage eines Kunden, dass er bei Thalia ein bestimmtes Buch (VLB-Titel) nicht bestellen konnte, antwortet eine Buchhändlerin:

„Was haben Sie denn erwartet? Die Thalias, Hugendubels, Weltbilds und wie sie alle heißen, das sind die Aldis und Lidls der Buchbranche. Da gibt es nur das, was die in ihrem Datenbestand finden. Wenn Sie bei Aldi nach einer Maracuja-Kirsch-Marmelade mit sonnengereiften Fruchtstücken fragen, schickt man Sie weg, da müssen Sie schon in einen Feinkostladen gehen. Und wir sind die Feinkostläden der Buchbranche, nur dass im Feinkostladen die Produkte in aller Regel teurer sind als bei Aldi und im Buchhandel nicht!“

Und genau deshalb gibt es die eBuch: Damit die Feinkostläden der Kultur noch lange, lange bestehen mögen.

Vielen Dank!

Lorenz Borsche, 1. Mai 2010

Der Autor Lorenz Borsche

Lorenz Borsche, Jahrgang 1954, studierte Physik, Mathematik, später Soziologie und Politologie, wechselte 1986 in die EDV-Branche. Machte sich als gelernter Datenbänker 1989 selbstständig. 1990 Entwicklung des buchhändlerischen WWS-Systems, TANGO. Gründete mit Holger Schlecht (WWS ERFA BUCH) und Holm Löwe (SoftPoint) 1998 mit der PortoFino GmbH den Vorläufer der eBuch eG. Initiierte die Gründung der eBuch eG im Jahr 2000, seitdem Generalbevollmächtigter der eBuch eG, heute Vorstand.


Wie wird eBuch von den BuchhändlerInnen gesehen?

schöner lesen Buchhandlung & Café, Berlin
„Ihr alle da draussen seid grossartig!“
Neulich im Forum: „Liebe Kollegen, jetzt bin ich mal dran mich aufzuregen. Das Schulbuchgeschäft läuft auf vollen Touren (für mich die erste Schulbuchsaison) und mir sind 4 Schulbücher untergekommen, die ich nicht über das Zentrallager beziehen kann. Vom Verlag bekomme ich nur einen ominösen Fragebogen über mich und meine Buchhandlung sowie den Hinweis über einen Mindestbestellwert von 500 Euro für Neukunden. Ich brauche dringend jemanden, der mich von meiner Palme holt und vielleicht noch einen Rat hat.“

Wenige Stunden später: „Ihr alle da draußen seid so großartig! Ich habe richtig Gänsehaut, weil ich so gerührt bin über all die netten Worte, Erfahrungsberichte und guten Tipps! Da ist im wahrsten Sinne gute Energie durchs Netz geflossen.

Kibula (siehe auch Seite 20), logisch! Da kümmer ich mich jetzt drum … Ehrlich gesagt, hatte ich gar keine Ahnung, dass das Schulbuchgeschäft dermaßen über mich reinbricht. Nächstes Jahr wird alles anders. Vielleicht lohnt es sich ja sogar noch dieses Jahr?

Besorgungsdienst, klar. Ich dachte, das geschieht automatisch. Mir war nicht mehr bewusst, dass das extra ‚beantragt‘ werden muss. Kümmer ich mich also auch drum. So etwas wie das hier, ist einer der Gründe für mich in der eBuch zu sein! Das Forum, das da geschaffen wurde, ist wirklich großartig, eine unschätzbare Ansammlung von Wissen, Rat und Hilfsbereitschaft. Ich bin froh und glücklich und kein Stück mehr verärgert, dank Euch!“

Birgit Krause, Berlin


Buchhandlung Buchland, Bad Wildungen
„Wir arbeiten vom ersten Tag an mit ANABEL. Rentabel.“
Aus gutem Grund: Denn nur zweimal im Jahr Bücherberge bestellen, um davon wieder einen Teil zu remittieren bindet Kapital und macht unnötig viel Arbeit. Darüber hinaus ist unser Warenlager klein und hat dadurch eine ungewöhnlich hohe Drehzahl von 10. ANABEL schenkt uns statt Dienst im Backoffice mehr Zeit für Beratung und Verkauf, den eigentlichen Aufgaben von Buchhändlern. Verwaltungsarbeiten werden also auf das absolute Minimum reduziert.

Sicherlich ist uns eine gute Verkaufsbetreuung ebenso wichtig wie die individuelle Sortimentsgestaltung: Mit ANABEL bieten wir die Bücher an, die uns interessant erscheinen – quer durch alle Verlage hinweg. Über ANABEL ist unser Sortiment vielfältiger, individueller und interessanter als in viel größeren Buchhandlungen – und das zu fairen, rentablen und gut durchschaubaren Konditionen.

Ein kurzes Statement zur Community: Durch den ständigen (und uns durch die Bank willkommenen) Austausch über das Internet mit anderen Mitgliedern sowie der eBuch-Geschäftsleitung erledigen sich Alltagsfragen oft innerhalb von wenigen Minuten.

Nicht zu vergessen: Die erheblichen Kosteneinsparungen und Vergünstigungen quer durch alle Alltagsbereiche (wie Geschenkpapiere, Kassenrollen, EDV u.v.m.), die uns die Mitgliedschaft zusätzlich bringt.

Eine große Hilfe ist übrigens auch der Service von Call-Line für Kundenanfragen am Telefon. Gerade bei größerem Kundenansturm müssen wir so keine Beratungsgespräche im Laden unterbrechen, weil uns das Call-Center den Rücken frei hält. Super: Wir haben Zeit für unsere Kunden ohne zusätzliche Personalkosten.

Bernhard Schäfer, Bad Wildungen

Buchhandlung PAPILLON
Weniger Bürozeit, mehr Zeit für Kunden! Mit ANABEL geht das!“ Als eBuch-Mitglied der ersten Stunde ist Papillon von Anfang an bei ANABEL mit dabei. Man könnte sogar sagen, dass wir eines der Versuchskaninchen waren. Das „Risiko“ hat sich gelohnt.

Bis heute haben wir diese Entscheidung nicht bereut, obwohl es damals – das war 2004 – erhebliche Widerstände auf Vertreter- und Verlagsseite gab. Das ist inzwischen anders, ANABEL wird von den Verlagen mit Leseexemplaren und Vertreterbesuchen voll unterstützt. Zunächst war es sogar intern etwas schwierig, die Mitarbeiter von einer völlig veränderten Einkaufsweise zu überzeugen. Heute möchte keiner aus unserem Team mehr auf ANABEL verzichten oder wieder anderweitig einkaufen.

Denn den Einkauf erledigt bei uns jeder Mitarbeiter just in time – im Tagesgeschäft sozusagen. Somit gehören 90 Prozent der Arbeitszeit unseren Kunden. Und die freuen sich: Durch die tägliche Lagerergänzung sind wir mit den aktuellen Titeln immer am Ball. Selbstverständlich können wir aber auch auf einen Nachfragerückgang schnell reagieren und müssen nicht befürchten, dass die zuletzt georderte Partie dann doch liegen bleibt oder remittiert werden muss. Das macht nämlich Arbeit.

Apropos Arbeit: Für den Wareneingang benötigen wir im Schnitt eine halbe Stunde täglich, für Remissionen die gleiche Zeit wöchentlich.

Insgesamt ist der Arbeitstag sehr gut organisiert, planbarer geworden und mit weniger „Büroarbeitszeit“ verbunden. Das nur nebenbei. Denn seit ANABEL arbeiten wir mit 30 Prozent weniger Lagerbestand (und somit mehr Liquidität) und einer sehr verkaufsfördernden Frontalpräsentation. Die Lagerdrehzahl hat sich gegenüber früher von 4 auf 8 erhöht, der Rohertrag hat sich im Schnitt um 2–3 Prozent verbessert.

Übrigens nutzen wir den Leistungskatalog der eBuch ganz individuell. So haben wir unsere Einkaufstüten neu gestaltet: Am 1.000er-Preis sparen wir z. B. 40,00 €. Trotz oder gerade wegen der Einkaufsgenossenschaft kann jeder der individuelle, lokale Buchhändler bleiben, der er ist.

Clemens Riehle, Achern


Buchhandlung Bücherhimmel
ANABEL – ein himmlisches Vergnügen für Buchhändler“
Bücherhimmel ist jetzt seit 5 Jahren bei ANABEL. Das finden wir jeden Tag aufs Neue wieder toll. Denn unser Arbeitsalltag ist viel unkomplizierter geworden und wir haben deutlich mehr Zeit für unsere Kunden.

Der Wareneingang ist morgens schon nach 30 Minuten geschafft, der Aufwand für Bestellungen oder Remissionen ist auf einen Bruchteil reduziert.

Die Genossenschaft bringt Vorteile. Wir nehmen mit unseren Vorbestellungen direkten Einfluss auf die Bewirtschaftung des Zentrallagers von ANABEL. Unsere Bestellungen liefern die Vorgaben für die Dispo des Zentrallagers. Damit steht uns die komplette Bandbreite des Verlagsangebots zu gleichen Konditionen zur Verfügung. Das ist eine großartige Umsetzung des genossenschaftlichen Gedankens. Und der kommt bei den verschiedenen elektronischen Foren zum Tragen, die den eBuch-Mitgliedern offen stehen. Ganz gleich ob vergriffene Bücher gesucht, arbeitsrechtliche Fragen gestellt oder Tipps für Veranstaltungen gebraucht werden: Mindestens einer der 400 Kollegen hat immer einen Rat. Dieser rege Austausch trägt zur Qualität des eBuch-Netzwerks bei.

Für unser Geschäft war der Wechsel zu ANABEL die wichtigste und beste Weichenstellung zu mehr Ertrag, mehr Freude am Arbeitsalltag und, last not least, mehr Zeit für meine kleine Tochter.

Ina-Vanessa Skorka, Hamburg

Buchhandlung im Roten Haus
Bessere Marktchancen durch ANABEL. Auch gegen starke Konkurrenz!“
In unserer Buchhandlung Im Roten Haus arbeiten wir seit der Neugründung mit ANABEL zusammen. Besonders in den Gründungsjahren hilft dabei eine planbare Liquidität. Denn es gilt innovative Konzepte und Veranstaltungen durchzuführen und – gerade bei einem großen Mitbewerber vor Ort – besonderen Wert auf Profilschärfung zu legen.

Klar waren die ersten Jahre extrem arbeitsintensiv und forderten den vollen Einsatz des ganzen Teams. ANABEL reduziert das Backoffice so sehr, dass wir den Kopf frei für uns – und unsere Kunden – behalten.

Kein Limit in der Individualisierung! Für unsere Buchhandlung kaufen wir ein, was wir mögen und gut finden. Genau wie unsere Kunden. Neben den Mainstream-Titeln bieten wir immer wieder Ausblicke in die weite Welt der schönen Literatur – und attraktive Angebote darüber hinaus: Musik, Noten, DVDs, Nonbook, Papeterie und Spielwaren ergänzen und schärfen unser Profil. Gerade durch ANABEL haben wir die Chance, uns am Markt mit Vielfalt und einem frischen, individuellen Angebot zu behaupten. Das großzügige und unkomplizierte Remirecht erlaubt uns einfach sehr viele Freiheiten, die andere Buchhändler so nicht haben.

Wir lieben Bücher. Und wir sind erfahrene Profis. Deshalb fühlen wir uns in der eBuch unter engagierten Kollegen, die sich gegenseitig sprichwörtlich mit Rat und Tat zur Seite stehen, sehr wohl. Das Ambiente einer Genossenschaft von Buchhändlern für Buchhändler vermittelt ein gutes Gefühl: Jeder weiß, was er tut. Vom Vorstand über die Geschäftsstelle bis in die Ressorts hinein. Das stärkt den unabhängigen, inhabergeführten Buchhandel und hilft, die Zukunft in unserem Beruf zu sichern.

Übrigens: ANABEL und eBuch haben es uns ermöglicht, aus dem vielfältigen Baukasten-Katalog (Zentrallager, WWS, Onlineshop, u.v.a.m.) die Dinge auszuwählen, die für unsere Gründungssituation am effektivsten waren.

Markus Schneider, Nürtingen


Happy Birthday, liebe eBuch
Am 1. Mai erwartet man ja Sonnenschein, wenn man schon sonst nichts vom 1. Mai erwartet. Aber der war dieses Jahr leider verwehrt. Es schien nicht nur die Sonne nicht, sondern es war trüb, kühl und regnete den ganzen Tag.

Dennoch war dieser 1. Mai für ein paar Hundert Leute ein ganz besonderer. Denn er hatte eine Besonderheit in petto, die das Wetter schlichtweg auf den zweiten Platz verwies: Das Jubiläum von eBuch.

Zehn Jahre ist es her, dass sich ein paar kühne und kreative Nerds, Quer- und Quarkdenker zusammenfanden und irgendwie dauernd ans Bündeln dachten. Ich will nicht die Geschichte einer Idee referieren, die sich an diesem Abend und in dieser Festschrift noch zur Genüge selbst feiert, aber das eine ergab das andere, das Technische traf auf das Machbare, und das ist in Händen von Nerds immer eine interessante Angelegenheit, und so entstand die eBuch, und zehn Jahre später ist man selbst ganz baff, weil die Idee eine Institution wurde. Da half nur eines: Zelt aufbauen, Party abfeiern.

Im Einladungstext wurde auf eine „große Sause“ verwiesen, weswegen ich davon ausgehen musste, dass alle eBuch-Mitglieder der Peter-Alexander-Generation angehörten, aber hier bereits irrte ich, denn das trifft letztlich nur auf Holm Löwe zu.


Willkommen im Club
Zum Genossenschaftsjubiläum wurden alle Geschäftspartner und Geschäftsfreunde eingeladen. Vom rauschenden Fest will ich nun berichten, Ihnen zur Freude und zur Rückbesinnung an einen schönen Abend, und mir zur Lehre, damit ich nur noch Aufträge annehme, an die ich mich am nächsten Morgen auch erinnern kann.

Namensschildchen sind auf solchen Anlässen ja durchaus hilfreich, aber von fragwürdiger Etikette. Man gewöhnt sich so schnell an, sich zur Begrüßung nicht mehr die Hände zu schütteln oder einander zuzunicken, sondern sich gegenseitig die Brust zu lesen.

Um zu versinnbildlichen, dass eBuch seine Genossen nicht im Regen stehen lässt, fanden die Abendfeierlichkeiten in einem großen, festlichen Zelt statt. Bevor wir aber in das schöne Zelt durften, mussten wir mittags erst noch alle durch den Kuchenkeller. In einer lockeren, charmanten Atmosphäre, die einem Gefängnisroman von Henri Charrière Ehre gemacht hätte, saßen wir alle unseren Streuselkuchen ab und versuchten ab und an, einen Fetzen Regenhimmel durchs Oberlicht zu erhaschen.

Man betrat den Raum zwangsläufig von oben, und da sah ich schon, dass er schlechtes Qi hatte. Hier kann man keine Interviews führen. Ich wollte meinem Assistenten Noah noch ein Foto befehligen, aber er war bereits mit einem Schlauchboot entkommen.


Redaktions-Urgestein vor Ort
Hier sehen Sie das Redaktions-Insider-Urgestein Christian von Zittwitz, den Chefredakteur vom BuchMarkt. Die eBuchianer haben diesem Mann an diesem Abend so ausnehmend gedankt, ich musste extra das Wort „Doyen“ nachschlagen. Von Zittwitz hat viel Gutes für eBuch speziell und für die Branche im Allgemeinen getan, aber andererseits hat er auch beispielsweise mich erschaffen. Das sollte ihm nicht verziehen werden. Doyen hin, Doyen her.

Heinz Lang von der Buchhandlung Bücher Lang in Freyung sei ja jemand, der viele Anekdoten zu erzählen habe. Hoffentlich erzählt er sie nicht mir. Er sagt, das Besondere an eBuch sei, dass es hier wie bei einer großen Familie zugehe. Das kann ja alles heißen. Wir wissen ja, wie es bei großen Familien zugeht, gerade auf runden Geburtstagsfeiern. Auch hier treffe ich eines der allerfrühesten Mitglieder, sozusagen ein, hm ja, schon wieder, Urgestein, nämlich den Bücherwurm Werner Bürk aus Kenzingen – Pardon: Werner Bürk von der Buchhandlung „Bücherwurm“ aus Kenzingen. Ich treffe heute auf so viel Urgestein, dass ich meinen Stift bald gegen ein Hämmerchen eintausche. Die eBuch scheint nicht nur Genossen zu haben, sondern ganze Gesteinsadern. Schauen Sie nur, wie ich alles Wichtige aufschreibe, wenn so ein Gründer sich erinnert. Da das der frühe Teil des Abends war, konnte ich diese Notizen wenigstens noch lesen.

Bürk betont auch die familiäre Struktur der ganzen Genossenschaft. Das höre ich nicht zum ersten Mal. Allmählich bekomme ich Lust, ein paar Cousinen zu küssen.

Christian von Zittwitz, Chefredakteur BuchMarkt Heinz Lang Werner Bürk von der Buchhandlung „Bücherwurm“

Auch Festzelte können Eleganz und Stil verströmen
In das Kuchenverlies wollte ich nicht mehr hinunter, da kam es mir gelegen, dass sich das Festzelt allmählich füllte.

Das ganze Areal war weitläufig von Sumpfgelände gesäumt, so dass im Verlaufe des Abends der ein oder andere Jubilar, Gast oder Kellner abhanden ging. Es bestand aus einem Gästebereich mit genügend Raum für eine Moderations- und Veranstaltungsmitte, dazu gab es einen Barbereich im Freien und ein angeschlossenes Buffetzelt.

Im vorfeierlichen Geplänkel – ich nenne es die Murmelstimmung – begegnen sich zwei wahre Simplifyer vor dem Herrn: Pfarrer Herzog und Pfarrer Tiki Küstenmacher. Der eine war so lange Jurist, bis er die andere Seite kennenlernen wollte und dann Pfarrer wurde. Pfarrer Herzog leitet das Haus Lutherrose, in dem die eBuch-Genossenschaft damals aus der Taufe gehoben wurde. Ein geläuterter Jurist, der die Brücke zum Gründungssymbolpfarrer schlägt, ist wahrscheinlich die semantisch aufgeladenste Figur des ganzen Abends – er symbolisiert so viel, dass sich jeder heraussuchen kann, was ihm am besten gefällt. Lorenz Borsche wird zum späteren Zeitpunkt ebenfalls aufgeladen sein, aber das hat mit Semantik weniger zu tun.

Der andere Pfarrer ist ein spiritueller Lebensvereinfacher, ein Cartoonist, Enneagraph und extrem erfolgreicher Gebrauchstheologe: Tiki Küstenmacher, der den anspruchsvollen Part des Abends meistern wird, eine Brücke zwischen Rede und Unterhaltung zu schlagen.


Die ultimative Blumierung

Das ist Lorenz Borsche. eBuch-Gründer haben alle so tolle, forsche Namen, Namen wie Lorenz Borsche oder Holm Löwe. Soweit ich die Diensthierarchien verstanden habe, gibt es bei eBuch in Wahrheit keine Diensthierarchien, weil alle Genossen sind, aber wenn es welche gäbe, wäre Lorenz Borsche Mister Spock.

Glaube ich. Vielleicht redet er auch einfach nur am meisten. Als er Entwarnung gibt, dass er gar nicht viele Worte machen wolle, ahne ich schon, dass das die längste Rede wird.

Ein Teil der Rede bzw. eines ihrer mehreren Enden bestand in der Blumierung der am Erfolg beteiligten Damen. Dass Frauen Blumen mögen, war bereits Thema unzähliger Glossen, Buchkapitel und anderer sinnfreier Zonen, deshalb reihe ich mich in die eher stillen Bewunderer weiblicher Floralfreude ein. Ich hätte dazu ohnehin nichts Kluges zu sagen. Denn eine Frau, die sich über Blumen freut, ist wie eine Blume selbst und eigentlich etwas, woran wir Männer uns leise erfreuen dürfen.

Löwe und Borsche ließen es sich somit auch nicht nehmen, am Ende ihrer Rede alle Frauen zusammen mit Buketts zu bedenken und bedanken. Wenn einer wie ich darüber zu schreiben hat, mag das vielleicht nach Gruppenabfertigung klingen, aber in Wahrheit war der Effekt einfach und voller Größe gleichzeitig. Diese Momentaufnahme lässt mich schmunzeln. Hier schaut Holm Löwe, so als würde er sagen: „Ich muss Sie nun leider bitten, unverzüglich zu gehen.“ Aber in Wahrheit war viel Freude in der Blumenübergabe. Hier geht es zu wie in einer richtigen Familie.

Ich behalte recht und Borsche das Mikrofon.

Doppeltes Heimspiel für Tiki Küstenmacher
Den zweiten Rednerpart übernimmt Werner Tiki Küstenmacher. Er ist der professionalisierte, anschauliche Vortragstyp. Professionell heißt, dass Herr Küstenmacher davon lebt, mit Vorträgen aufzutreten.

Da will ich also mal nicht ungerecht sein. Sagen wir: Professionell heißt, dass Küstenmacher sein eigenes Mikro dabei hat. Für Küstenmacher ist sein Auftritt in diesem Zelt ein doppeltes Heimspiel: Buchhandel und Nostalgie, denn er hat an der hiesigen Hochschule Neuendettelsau studiert.

Und das ist die hohe Kunst: Während ich mich prächtig unterhalte, vergesse ich bereits beim Zuhören, wovon Tiki Küstenmacher redet! Sagenhaft! Und doch hat es Hand und Fuß, was er da so plaudert und zeichnet. Wahnsinn, wie sehr das alles stimmt und wie wenig Platz das im Kopf wegnimmt. Simplify your Vortragskunst ist die praktische Umsetzung der eigenen Konzeptstrategie auf höchster Ebene! Zur pointierten Unterhaltung zählt nämlich auch, dass es immer ein Genuss ist, einem Profi zuzuschauen. Egal wobei. Das werden Sie auch später bei den beiden Zauberkünstlern bemerkt haben.

Weil zugeguckte Professionalität so viel Spaß macht, zeichnet uns Tiki erstmal was, und zwar live und via Satellitenprojektion. (Der dieselbetriebene Overheadprojektor von einst wird nun ans Frankfurter Verkehrsmuseum abgegeben.) Küstenmachers Zeichnungen sind simpel, aber bedacht, und je einfacher sie sind, desto tiefer sitzt beim Zuschauer die Frage: Boah, warum kann der das und ich nicht?

Das Beobachten von Zeichnern gehört zu den faszinierendsten Zuguckmomenten der Menschheit. Wahrscheinlich sind die Höhlenzeichnungen genau so entstanden: Nicht der Gemälde wegen, sondern weil live gemalt wurde! Das ist hypnotisch! Kommt gleich nach „Ins-Feuer-Gucken“! Deshalb kommt mir Küstenmachers Rede so kurz vor: Weil viel Interessantes passiert, und Küstenmacher nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Bühne umzugehen versteht. Aber fragen Sie mich bloß nicht mehr, worum es ging.

Das tote Pferd und seine Analogien zum Management war der Höhepunkt von Küstenmachers Rede. Ich weiß zumindest noch, dass es auch um Verstehenssicherung und Kompetenzcheck ging! Das ist bemerkenswert, aber ich hoffe, dass ich diese Worte bald wieder vergesse.

„Wenn dein Pferd tot ist, steig ab!“

Wer Geschäftspartner sei, habe auch mal ein Geschenk verdient.

Der nächste Redner, Dr. Pascal Zimmer von Libri, war von allen der Souveränste. Der Buchgroßhändler Libri sandte Zimmer zur Party, um eine freundliche, kurze, nachgerade präzise Rede an alle Anwesenden zu richten. Da weiß man schon beim ersten Satz, dass diese Rede tatsächlich nicht lang wird, also sitzt man gerade und hört zu. Fokussiert und völlig ohne Zettel machte Dr. Zimmer eines klar:

Wer Geschäftspartner sei, habe auch mal ein Geschenk verdient. Ich dachte noch: „Wer weiß, was an solchen Abenden alles als Geschenk bezeichnet wird“, da ließ Libri tatsächlich Geschenke im Saal verteilen! Jeder Gast bekam ein lampennahes Leuchtgerät überreicht, das seine Farbe wechseln kann, anstatt richtig hell zu machen. Wow! Gemäß dem Newton‘schen Energieerhaltungssatz wird hier Energie in Nutzlosigkeit umgewandelt, dafür aber schön bunt. Wir Europäer sind ja traurig, wenn wir mal keinen Strom verbrauchen. Es handelte sich aber darüber hinaus um spezielle Hypnose-Lampen, wie sie in Genossenschaften und großen Familien durchaus üblich seien.


Dies war für mich ein denkwürdiger Tag …“

Als nächstes ging es von der Historie in die geistige Landschaft aller eBuch-Inspiration. Lorenz Borsche verlas die Schlüsselstellen aus einem Werk von Charles Dickens:

„Dies war für mich ein denkwürdiger Tag, da er gewaltige Veränderungen in mir bewirkte.“

Das passt berechtigterweise in das Selbstverständnis der eBuch, und Dickens’ Titel „Große Erwartungen“ wiederum passt immer wieder auf die Kehrseite des Erfolges einer jeden neuen Idee.

Wenn eine Rede vom Rückblick in den Einblick übergeht, dann ist der Ausblick nicht weit, und mit diesem schließen Reden meistens. Ich vermute sogar, dass der Mensch in Jahrtausenden der Evolution gelernt hat, automatisch die Produktion der Magensäfte einzuleiten, sobald jemand eine Rede beendet.

Als Lorenz Borsche schließlich damit endet, dass Buchhandlungen die Feinkostläden der Kultur seien, erinnere ich mich bei dem Wort „Feinkost“ wieder daran, warum ich hier bin. Eines der schönsten Bilder, das ich nicht geschossen habe, zeigt Lorenz Borsche mit der haptischen Feuereffekt-Nachbildung des eBuch-Jubiläumsmotives von Grafiker Bruno Schwarz.

Die Rührung steht ihm ins Gesicht geschrieben, denn er, der Mann, der sonst alle Fäden dieses Abends in der Hand hat, wusste hiervon nichts. In diesem Zustand werden seine Freunde ihn nicht zum letzten Mal an diesem Abend gesehen haben.

Den Abschluss dieser Rede bildet ein gesungener Segen: Pfarrer Herzog, der exjuristische Leiter dieses Hauses, übernimmt persönlich die Kanonführung und zwingt uns alle zum Aufstehen und Mitsingen. Singen im Chor ist ebenfalls ein Jahrtausende altes Instrument der Gruppensozialisation (Sauerstoff & Vibration = Gemeinschaft). Man kann sich also vorstellen, wie gemütlich es auf dieser Feier war: Getränke und Geschenke, Essen und Lachen, Empfang und Gesang – hier war nichts dem Zufall überlassen.


Die tischweise Zauberschleuse
Nach den Redebeiträgen war die Eröffnung des Buffets in greifbarer Nähe. Als emsige Küchendamen die Speisen ins angeschlossene Buffetzelt trugen, als sie da so klapperten, dampften und umrührten, entstand allmählich Unruhe unter uns Gästen. Angst und Hunger sind eine ungute Mischung. Einer skandierte sogar: „Vor-spei-se! Vor-spei-se!“ Das war ich. Der Mob magenknurrte, aber es gab einen klugen Schachzug der Genossenschaft, um Gedränge und germanisches Gemetzel am Buffet von vornherein zu minimieren:

Die tischweise Zauberschleuse. Grundgedanke war, dass jeweils nur ein Tisch oder eine Tischgruppe geschlossen zum Buffet ging, und erst nach dem ersten Auftun durfte die nächste Gruppe ans Buffet. So wurde nacheinander jede Gruppe, bevor sie dran war, von einem Tischzauberer besucht und ein paar Minuten hingehalten. Ich glaube, der richtige Terminus ist „Handzauberer“. Auch im Zuge der religiösen Liberalisierung und Toleranz musste vor all dem christlichen Gastgeberhintergrund ein Zugang zu heidnischen und schwarzmagischen Bereichen für unsere atheistischen Gäste angeboten werden.

Leder Schwarz-Rot, eine zeitlose Variation des domestizierten Stil-Rock ’n’ Rolls, zeichnet den jungen Wilden unter den Handzauberern aus. Hier sehen wir, wie Stephan Kirschbaum schon mal eine Maccheroni hervorzaubert, und in Wahrheit war es dann aber eine Linguini.

Hier sehen wir, wie die schwarze Lederfee aus einer verknoteten Maccheroni vor der Rechtschreibreform eine verknotete Makkaroni nach der Rechtschreibreform zaubert! Auch Zahnseide hat Kirschbaum im Repertoire, aber als er an die Brieftasche eines Chefredakteurs geht, versteinert dieser. Ich denke nicht, dass der Versteinerungseffekt eingeplant war. Der Magier täte besser daran, den Gesichtsausdruck des Redakteurs irgendwie wieder von „Gorgone“ auf „Aperitif“ umzuschalten.

Und der Plan geht auf: Das Publikum ist fasziniert und vergisst den Hunger. Natürlich nur, bis der Zauberer wieder eine Spaghetti hervorzaubert.


Buchhandel als Mannschaftssport
Wenn das Publikum dann erst mal grundgesättigt ist, kommt es in eine Prä-Dessert-Phase der Anschmiegsamkeit und Versöhnlichkeit, die man für alle Beiträge nutzt, die zu gering für eine Rede, aber zu kindisch für Diskretion sind. Das sind diejenigen Beiträge, die keiner hören muss, aber jeder sehen will.

Hier zum Beispiel wird ein Tischfußballspiel überreicht. Auf dem Foto sehen sie die kompletten Top Dogs zusammen mit dem Symbolgeschenk. Symbolisch ist es, weil die Mannschaften in liebevoller Beschriftung aufgeteilt wurden in Amazon und eBuch. Man hätte ja auch Thalia oder Hugendubel als Feindbild verwenden können, aber Amazon ist natürlich das Muttervampirmodell, sozusagen der einzelbuchhändlerische Antichrist, und dieser Kontrast passt ja dann wiederum sehr gut in den Geist dieses Hauses. Aber lassen Sie es mich durch die Augen der Jüngsten betrachten: Je weniger Symbole im Weg sind, desto mehr macht das Spielen Spaß.

Hier sehen Sie wieder einen Fall von fotografischer Meisterschaft meines unsichtbaren Kollegen Noah Schuller: Christian von Zittwitz im Gespräch mit Angela Merkel. Den teddybärigen Gesichtsausdruck des Redakteurs einzufangen, war ganz großes Timing. Er muss über die Dinner-Beratung der Kanzlerin entzückt sein. Frau Merkel dient Roquefortsauce zum Lachs an. Roquefortsauce, ist das nicht der Hammer? Ich war mit der Regierung noch nie so zufrieden!


Das ganz persönliche Blechmonster

Den nächsten Einschnitt in den Abend, der ansonsten gerne friedlich verlaufen wäre, bildet die Knebelung von Lorenz Borsche. Halt – ich sehe gerade, dass er nicht geknebelt wird, sondern im Gegenteil nur eine Augenbinde bekommt. Seinen Präferenzen entsprechend hat man rotes Leder genommen. Ich weiß nicht genau, was jetzt kommt, aber ich bin froh, dass ich mein Dessert noch nicht gegessen habe.

Es sieht nach einem Männlichkeitsritual aus, irgendeine Initiation oder so. Den ganzen Abend schon fühle ich mich vor lauter Gemütlichkeit so angenehm umfangen; dieser ganze eBuch-Haufen kommt mir so verschworen vor, so zusammengehörig, dass es schlicht unmöglich bleibt, als journalistischer Beobachter meine Distanz zu bewahren; aber jetzt scheine ich kurz vor dem Beweis zu stehen: Die sind alle seltsam.

In Wahrheit handelt es sich nur um eine Enthüllung eines Insidergeschenkes: Borsche bekommt sein persönliches Blechmonster. Ein kleiner Schritt für die anwesende Menschheit, aber eine große Freude für Lorenz Borsche, denn das amorphe Buchblechmonster ist ein maßangefertigtes Künstlergeschenk mit verlagsinterner Vorbedeutungsgeschichte. Auch solche öffentlich-intimen Momente sind es, die alle Anwesenden zu einer Familie vereinen. Und nicht nur der Sauerstoffmangel im Plastikzelt.


Ganz grosses Kino
auf zwei Quadratmetern Bühne

Was sich vor dem Essen mit kleinen Tischzaubereien ankündigte, fand nach dem Essen mit einer grandiosen und frechen Bühnenshow seinen Höhepunkt. Der Zauberer Thomas Otto, seines Zeichens mindestens Kollege vom Zauberer Stephan Kirschbaum, begnügte sich mit zwei Quadratmetern Bühne und den üblichen Requisiten, denn seine Arena war das Publikum und seine Magie war er selber. Otto lieferte zunächst einmal die magische Grundausstattung des Verschwindenlassens und Vorherwissens genau so eloquent ab, wie man es von einem Zauberer erwartet. Aber, das war nur zum Warmwerden.

Was man nicht erwartet hatte: Wie versiert und urkomisch dieser Mann mit dem Publikum umsprang. Er untergrub Erwartungshaltungen, die er selbst herbeimanipulierte; er äffte, er zickte und er verschliss einen Haufen verblüffter Assistenten aus dem Publikum. Was er zauberte, war sehr gut; aber wie er zu Lachtränen hinriss, war ganz großes Kino. Ein wenig fühle ich mich an den Emcee aus „Cabaret“ erinnert. Allerdings benötigt Otto diesen Vergleich nicht; er steht für sich selbst.


Ein Klassiker, den ich immer wieder gerne sehe und immer wieder nicht glauben kann, ist der Weg, den ein handmarkierter Geldschein durch den Verlauf aller Zaubernummern nimmt (und zur Schadenfreude gegen seinen Spender immer mehr Wert verliert), bis er am Ende in einer verschlossenen Dose Erdnüsse (einer Zitrone/der Bundeslade) am anderen Ende der Bühne auftaucht.

Ich vermute inzwischen, dass es sich um gar keinen Trick handelt, sondern bloß um schnöde echte Magie; und wir sollen nur denken, es sei ein Trick. Ich habe zwar ein Foto von Bernd Kiederer aus Stuttgart und seinem real markierten Geldschein gemacht, aber wer weiß, aus welcher Dimension das kommt.

Groß und verdient war der Applaus. Denn jetzt waren wir nicht nur satt, sondern auch glücklich.


We are the Champions

Nicht zu fassen, zu welchen Bewegungen sich Menschen hinreißen lassen, wenn die Musik nur laut und übergangslos ist und der Alkohol stimmt. Da werde ich auf keinen Fall mitmachen.

Es gab Solo- und Freistiltanz, und es gab Paartanz. Und überall war Holm Löwe mit dabei.

Auf dem Höhepunkt der tanzinduzierten Infarktbereitschaft zwingt man den DJ, noch zwei ideologische, dafür aber wenigstens völlig untanzbare Motivationslieder aufzulegen: „You win again“ von den Bee Gees und „We are the Champions“ von Queen. Wer war dafür verantwortlich?

Borsche leugnet noch zwei Monate später, dass er damit zu tun hatte. Ich lerne also, dass auch Motivationslieder bremsend wirken können, während die Gebrüder Gibb mir das Mark in den Beinknochen zersingen.

Der DJ tröstete die zertanzte Gesellschaft hernach noch mit „Summer of 69“, und ich denke, an diesem Punkt kann auch ich aus der Berichterstattung aussteigen.

Der Abend geht nun in den Teil, der tatsächlich Party ist: Erleichterung, Erlockerung und Abnaschen der Buffet-Reste, bevor alle heimgehen. Ein Service, der übrigens nicht hoch genug zu loben ist, war das Reste-Buffet, das nicht nur nicht abgeräumt wurde, sondern auch, je leerer es gegessen war, mit Knabbereien und Schokoriegel aufgefüllt wurde. Wow. Ein Nachtnasch-Reste-Buffet, das wäre nun nicht eigentlich noch zu übertreffen. Außer mit frischem Kaffee.


Zum Glück erinnere ich mich am nächsten Morgen an nichts mehr. Beim Frühstück im Hotel treffe ich lauter Fremde, die mich zu sich an den Tisch bitten. Jane Clousten, Dr. Pascal Zimmer, Bertram Pfister und Christian von Zittwitz – nie gehört. Ein Nebel aus Namen.

Vor allem dieser Christian von Zittwitz. Danke, eBuch, für diesen wunderbaren Abend; und Danke, eBuch, für den Innovationsschub im Buchhandel.


Der Autor
Matthias Mayer

Jahrgang 1969, ist gebürtiger Hesse, gelernter Buchhändler, abgebrochener Germanist, freiberuflicher Journalist und Vortragskünstler.

Durch einen vorlauten Leserbrief fiel er vor zwanzig Jahren beim Magazin BuchMarkt das Treppchen hinauf und zur Tür hinein. Fortan entwickelte er sich unter Christian von Zittwitzens sanfter Führung und Förderung zum Glossisten monatlicher Nonsens-Beiträge und ist außerdem auf den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig der Prominentenerschrecker vom Dienst. Auch der „Messe.Mayer“ geht auf eine Idee von Doyen Zittwitz zurück.

Auf eigenen Ideen zu fremder Leistung fußt Mayers jährliches Comedy-Programm, in dessen Rahmen er die skurrilsten Neuerscheinungen im Buchhandel aufspießt.

Exklusive Aufträge von Werbeslogans für Ars Edition bis zur Partyberichterstattung bei eBuch runden Mayers Wirken ab und sein Konto auf. Tagsüber arbeitet er in einer kleinen Sortimentsbuchhandlung als Angestellter des Monats auf Lebenszeit.

Matthias Mayer lebt fast ohne elterliche Hilfe, aber mit häufig wechselnden Partnerinnen bei Frankfurt am Main. (Das mit den Partnerinnen war geprahlt.)


eBuchWir lieben Bücher.
Geschichte, Porträt und Leistungsspektrum einer ambitionierten Genossenschaft

„Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen erschien.“ — Albert Einstein

Dieses Zitat spiegelt recht gut den „Geist“ wider, der eine kleine Gemeinschaft von Neu-Denkern im Millenniumjahr zusammenführte. Fünfzehn Beteiligte waren es: Damals, als alles begann. 10 Jahre später sind es bereits über 500. Jene Fünfzehn gründeten am 14. Mai 2000 eine buchhändlerische Genossenschaft. Der Name eBuch war ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie die Internetadresse www.ebuch.net. Man hätte sich schließlich auch die Top-Level-Domain .de oder .com nehmen können. Aber .net steht für networking und signalisiert gleichzeitig die programmatische Ausrichtung: Es geht um Informations- und Datenaustausch über das Internet.

Der Autor: Dr. Klaus-Wilhelm Bramann

Der Genossenschaftsgedanke

Eine Genossenschaft ist ein Zusammenschluss von natürlichen bzw. juristischen Personen, die sich gemeinsam unternehmerisch betätigen. Ihr Zweck ist die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaftlichkeit ihrer Mitglieder durch einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb. Mitgliederförderung, Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung stehen im Vordergrund. In der Satzung ist der Gegenstand der Genossenschaft eBuch beschrieben. Hierzu gehören:

Die eBuch ist also weit mehr als eine Einkaufsgenossenschaft. Sie kann sich an anderen Unternehmen beteiligen oder mit anderen Unternehmen Verträge abschließen, die dem Zweck der Genossenschaft dienen. Den Nutzeffekt brachte Werner „Tiki“ Küstenmacher in seiner Festrede zum 10-jährigen Jubiläum auf den Punkt. Er rechnete den Anwesenden vor, dass „Multiplikation besser als Addition ist: In einer Genossenschaft addieren sich nicht die einzelnen Mitglieder, sondern sie multiplizieren sich zu einem größeren Ergebnis.“ Ein gepflegter Wald ist eben weit mehr als die Summe seiner Bäume.


Der „alte“ Buchhandel

Nichts Neues entsteht ohne Abgrenzung zum Althergebrachten und Überkommenen. Wie sah der Buchhandel in den 1990er Jahren aus? Warum lief er nicht „rund“? Wo zeichnete sich Bedarf nach Veränderungen ab? Was waren die Herausforderungen? Und welche Antworten waren sinnvoll? Ein kurzer Rückblick auf fünf Problempunkte mag aufschlussreich sein. Denn alle Punkte haben damit zu tun, dass sich Situation und Umfeld für den kleinen und mittelständischen Buchhandel verschlechterten. Schleichend und strukturell. Die Stimmung war angespannt.

Problem 1: Fortschreitende Konzentration durch Ketten

Obwohl Thalia noch nicht unter dem Dach der Douglas-Holding agierte, setzen sich Hugendubel und Weltbild merkbar von der Konkurrenz ab. Besonders das Großflächenkonzept, das Hugendubel seit 1979 betrieb, schürte Ängste. Führte es doch zu Untersuchungen, deren Resultat darin bestand, dass 200 Buchgroßhandlungen den gesamten Bedarf an Literatur in der Bundesrepublik flächendeckend stillen könnten.

Problem 2: Expansion des Internetbuchhandels

Mit der Übernahme der ABC Bücherdienst GmbH, dem damals führenden deutschen Internet-Versandbuchhändler, begann Amazon im Oktober 1998 den Verkauf in Deutschland. Zwar sollte es noch Jahre dauern, bis amazon.de schwarze Zahlen schreiben konnte, aber die Umsatzsteigerungen von Amazon, Weltbild und anderen Online-Buchhandlungen waren nicht wegzudiskutieren. Der Stellenwert des Sortimentsbuchhandels im Konzert der Branchenvertriebswege verschlechterte sich.

Problem 3: Ungesicherte Preisbindungssituation

Das Modell der grenzüberschreitenden gebundenen Bücherpreise war ein Dorn im Auge der EU-Wettbewerbskommission. Der damalige Kommissar Karel van Miert setzte 1999 alles daran, die Preisbindung zu Fall zu bringen. Mit fatalen Konsequenzen vor allem für kleinere, nicht filialisierte Buchhandlungen. Zum Glück kam es nicht dazu. Die Preisbindungssysteme durften in Ländergesetzen verankert werden. In Deutschland trat ein entsprechendes Buchpreisbindungsgesetz jedoch erst am 1. Oktober 2002 in Kraft. In das zeitliche Vakuum fiel die Gründung von eBuch, deren Mitglieder sich für eine ungewisse Zukunft rüsten wollten.

Problem 4: Konsequenzen der Titelflut

Die spätestens seit Beginn der 1980er Jahre einsetzende Titelflut führte – bei einem unveränderten Einkaufsverhalten auf Seiten des Sortiments – zu fatalen Entwicklungen: große Lager, sinkende Lagerumschlagszahlen, zunehmende Kapitalbindung, hohe Zinsen. Doch damit nicht genug. Eine Studie des Barsortiments Libri führte zu dem Ergebnis, dass Buchhändler rund 60 % ihrer Arbeitszeit mit Lagerarbeiten verbrachten – Zeit, die somit nicht für Kunden zur Verfügung stand. Selbst Buchhandlungen, die sich Datentransparenz mit Warenwirtschaftssystemen verschafften, mussten langwierige Gespräche über Remissionen führen. Eine Reduktion von Komplexität war angesagt.

Problem 5: Remittendenberge im Backoffice

Remittenden waren vorprogrammiert. Denn Verlage verkauften im Rahmen ihres Push-Marketings nicht nur ihre Spitzentitel ins Sortiment hinein, die Konditionen verlangten Mindestbestellmengen pro Jahr bzw. pro Auftrag. Und so wurden Titel mitbestellt, die Buchhändler eigentlich nicht haben wollten und die dann – fast zwangsläufig – wieder remittiert wurden. Vermehrte Backoffice-Arbeiten im Einkauf und bei der Remission waren die Folge. Ein Teufelskreis, der niemandem Spaß machte. Und der weit entfernt von einem idealen Verkaufstag war, den man sich wie folgt vorstellte: den „Papierkram“ vor Ladenöffnung erledigen, um sich während der Öffnungszeiten den Wünschen der Kunden zuwenden zu können.

Die eBuch-Vision

Der Handel mit Büchern und Medien soll wieder Freude machen. Mit vertretbarem Aufwand im Backoffice. Dass die EDV dabei helfen konnte, war unumstritten. Dass dies nicht ohne Ausnutzung von Bündelungspotenzial funktionieren konnte, war ebenfalls klar.

Dass das Internet dabei die entscheidende Austauschplattform spielen würde, verstand sich eigentlich von selbst. Denn alle Gründungsmitglieder hatten zumindest ein Warenwirtschaftssystem und eine E-Mail-Adresse, manche sogar schon einen an das WWS angeschlossenen, eigenen Internetshop und waren bereit, ihre Daten untereinander auszutauschen. (Dieser Datenaustausch liegt übrigens dem „Buchfinder“ zugrunde, mit dessen Hilfe bestimmte Titel in den Beständen der angeschlossenen Buchhandlungen gesucht werden können.) Es ging aber ebenso um Informationsaustausch jeglicher Art. So konnte und kann jedes Mitglied über eine interne Mailingliste arbeitsrechtliche Fragen klären, Tipps für Veranstaltungen einholen etc.

Das Angebot soll ständig wechseln. „Mehr Umsatz mit weniger Bestand“ hieß eine gängige Forderung jener Zeit. Häufig missverstanden und gleichgesetzt mit Titelreduktion und Entlassung von Personal. Doch konnte man die Segnungen der Warenwirtschaftssysteme nicht inhaltlich sinnvoll nutzen? Denn weniger Bestand musste ja nicht zwangsläufig weniger Titel bedeuten. Denkbare Optionen waren auch weniger Exemplare pro Titel, eine größere Titeldichte mit Kleinstbeständen oder sogar wechselnde Kleinstbestände?

Jedes eBuch-Mitglied soll größtmögliche Entscheidungsfreiheiten haben, um seinen Traum vom individuellen Buchhandel leben zu können. Unter Ausnutzung moderner Technik und Schaffung einer Infrastruktur, die der wirtschaftlichen Effizienz dient. Das Ziel hieß also: organisatorische und betriebswirtschaftliche Effizienzsteigerung. Auf der aktuellen Website findet man dementsprechend die klare Formulierung: „Die Genossenschaft präsentiert sich vorrangig als betriebswirtschaftlicher Dienstleister, der praxisorientierte Lösungen für den Buchhändler schafft.“


Finanzierung und Leistungen

Die Initiatoren der eBuch, Lorenz Borsche (WWS Tango), Holm Löwe (Softpoint, ehem. GfK) und Holger Schlecht (WWS ERFA BUCH), kannten den Wert von Daten für die Marktforschung. So reifte eine Idee, die so genial wie einfach war.

Die Mitgliedsbuchhandlungen führen ihre Abverkaufszahlen über das Internet anonymisiert zusammen und stellen diese Wirtschaftsdaten – mittlerweile handelt es sich um einen zweistelligen Millionenbereich – Interessenten kostenpflichtig zur Verfügung. Abnehmer des statistischen Materials wurde Media Control GfK International, die damit unter anderem das Sortimenter-Panel des Branchen-Monitor-Buchs speist. Auch Verlage sind an diesen Daten interessiert, damit sie wissen, wie ihre Titel am Point-of-Sale verkauft werden; denn mit dem eBuch-Material lassen sich anstehende Nachdrucke und Remittenden gut einschätzen.

Mit dem Geld aus diesem Datenverkauf kann eine Geschäftsstelle finanziert werden, die ständig neue Serviceleistungen und Sonderkonditionen für die Mitglieder zur Verfügung stellt, wie aktuell eine Partnerschaft mit Greenpeace Energy e. G. Je größer die Anzahl der Mitglieder, desto höher der Marktwert, umso mehr Nutzen für die Genossenschaftler – eine nach oben hin offene Spirale, die weite(re) Spielräume bietet. So investiert man mit den Tools Verlag@eBuch/eVorschau.de viel Energie in die elektronische Bearbeitung von Verlagsvorschauen (mit Bestelloption und automatischer Verarbeitung in der Warenwirtschaft) und arbeitet an einem gemeinsamen Internetportal, damit die Genossenschaftler sich zumindest im Netz als gemeinsame Marke etablieren können. Einen Einblick in das aktuelle Leistungsspektrum von eBuch vermittelt die Auflistung auf der Website der eBuch (www.ebuch.net).

Das Geld für laufende Aktivitäten kommt auf jeden Fall nicht von den Genossenschaftsanteilen in Höhe von 1.600 € für jedes Mitglied. Diese Einlage liegt als Festgeld auf einem Bankkonto. Statt „Zinsen“ werden die erwirtschafteten Überschüsse verteilt, 2009 z.B. auf die Einlage gerechnet volle 3,5 %. Da keine laufenden Mitgliedsgebühren anfallen, lohnt sich das „Eintrittsgeld“ auch in finanzieller Hinsicht, denn der reine Geldwert der Serviceleistungen und Sonderkonditionen wird von den Mitgliedern laut Umfrage mit 300–700 € pro Jahr angegeben.

Seit 2004 gibt es eine zweite Einnahmequelle: Erträge aus dem eigenen Zentrallager ANABEL. Denn ein höchst willkommenes „Abfallprodukt“ der Vernetzung über das Internet besteht darin, dass man aus den Abverkaufszahlen auch die Einkaufsdisposition der Genossenschaftsmitglieder steuern kann.


ANABEL

Im Jahr 2000 las man in einem BuchMarkt-Interview: „Die ‚1.000 Besten‘, die Titel also, mit denen der Buchhändler die Hälfte seines Umsatzes macht, werden von der eBuch zentral bewirtschaftet. Per Nachtabgleich stellt eBuch sicher, dass die angeschlossenen Buchhändler über eine ausreichende Menge der Renner verfügen. Unter Verzicht auf Remissionsrecht kauft eBuch große Mengen dieser Titel zu einem hohen Rabatt ein und sorgt selbst dafür, dass bei Ungleichheiten im Bestand Titel von einem zum anderen Buchhändler geschoben werden.“ Jahre arbeitete man an der Umsetzung dieser Idee. Das Resultat: ANABEL.

ANABEL ist der Name für das genossenschaftliche Zentrallager der eBuch in Bad Hersfeld. Als dessen 100%-ige Tochter ist es Eigentum der eBuch-Mitglieder. ANABEL steht für „Automatische Nachführ- und Bestelllogistik“. Ein Name, der allerdings mit Automatismus nichts zu tun hat. Dafür bietet ANABEL Barsortimentsfunktionen. Konkret bedeutet dies: Übernachtbelieferung der bestellten Titel (just-in-time), Minderung des Kapitalrisikos, elektronischer Lieferschein, etikettierte Ware, 10-Tages-Rechnungen, Entlastung von Verwaltungsaufwand, bis 5 % Kulanzremission, Mehrwegwannen.

Die Bücher des Zentrallagers werden – unterstützt durch die täglichen Absatzlisten der teilnehmenden Genossenschaftler – von einer zentralen Dispo eingekauft. Titel, die nicht am Lager sind, bestellt ANABEL dann beim Barsortiment Libri (sofern sie dort vorrätig sind bzw. von Libri besorgt werden können) oder über den eBuch-eigenen Besorgungsdienst ABD (sofern Titel nur direkt vom Verlag zu bekommen sind). Das große Plus: ANABEL liefert alles zusammen etikettiert und in Mehrwegbehältern.

ANABEL lässt die überkommenen Probleme des traditionellen Verlagsbezugs wie aus einer anderen Zeit erscheinen. Denn de facto gibt es sie nicht mehr: Kleinbeischlüsse mit hohen Portokosten, unterschiedliche Lieferantenkonditionen, partieweise gelieferte Neuerscheinungen, Verwaltungsaufwand für Rechnungskontrolle, aufwändiges Remittieren mit hohen Portokosten und Bearbeitungsgebühren, Entsorgung von Altpapier. In der Literatur wird dieses Modell unter dem Begriff „Rabattfalle“ diskutiert. Denn die Frage lautet: Was nutzen dem Buchhändler die hohen Rabatte beim Verlagsbezug, wenn dadurch höhere Kosten entstehen? Es ist doch viel bequemer, jeden Morgen als „regalfertige Lieferung“ die bereits etikettierten Bücher in Wannen vor die Regale zu stellen und einzuräumen. Die Frage wird somit zu einer Entscheidungsfrage: Mehr Rabatte und höhere Kosten oder weniger Rabatte und weniger Kosten?

Die Anabelisten haben sich entschieden. Sie nutzen mit ihrem eigenen Barsortiment, für das Libri die Logistik übernimmt, ein großes Bündelungspotenzial. ANABEL übernimmt dabei die Funktion des zentralen Lieferanten. Das bedeutet konkret: Die Anabelisten verpflichten sich dazu, 80 % ihres Einkaufs über ANABEL abzuwickeln. Inzwischen sind es jährlich über 5 Millionen Bücher, die das Zentrallager an die Mitglieder ausliefert. Die restlichen 20 % des Einkaufs können an KNV, Umbreit, Könemann, weitere Großhändler oder auch an einzelne Verlage gehen. Im Gegenzug gestalten sich die eBuch-Konditionen sehr einfach: Jedes Genossenschaftsmitglied erhält 34,5 % Grundrabatt, ab 3 Exemplaren 38,5 % Rabatt; hinzu kommt ein fester Zustellpreis, allerdings gibt es keinen Bonus und keinen Skonto.

Die relativ gute Rabattierung der einzelnen Titel kompensiert die wegfallenden hohen Verlagsrabatte. Der Rohertrag ist „unterm Strich“ größer. Anabelisten erwirtschaften im Schnitt eine bessere Betriebshandelsspanne als die kleinen und mittelständischen Buchhandlungen, die ihre Geschäftszahlen im Kölner Betriebsvergleich offenlegen. Da man in kleineren Zyklen nahezu monatsgenau einkauft, kann man das Warenlager für diesen Zeitraum relativ klein halten. Dies „erzwingt“ mehr Frontalpräsentation, und dieser Sichtkontakt schafft zusätzliche Kaufanreize. Wenn dann die Ware binnen kurzer Zeit verkauft und mit 30 Tagen Ziel bezahlt wird, entgeht man Liquiditätsengpässen und dem Problem der Vorfinanzierung des Warenlagers.

Ein derartig neues Modell wirft selbstverständlich Fragen auf. Deshalb endet dieser Absatz mit den wichtigsten FAQ zum Thema ANABEL:


Fragen zu ANABEL

Darf man als Anabelist nur Libri als Barsortiment haben?

Umgekehrt: Man darf Libri nicht als Barsortiment haben. Man darf und kann neben ANABEL bis zu 20 % des Umsatzes mit anderen Lieferanten tätigen. Und: Der Umsatz mit Kalendern, Fortsetzungen/Abos und das Schulbuch-Rechnungsgeschäft werden aus dem Jahresumsatz herausgerechnet und fließen nicht in die 20 %-Quote ein. Beim Schulbuchgeschäft greift mittlerweile das Modell „Schulbuch ANABEL“. Hier bietet der Kooperationspartner Kibula (siehe auch Seite 47 ) 19 % auf den Rechnungsbetrag bei portofreier Lieferung, unabhängig vom jeweils vom Verlag gewährten Rabatt.

Schreibt ANABEL vor, was zu bestellen ist und was nicht?

ANABEL schreibt keinem Anabelisten vor, was zu bestellen ist. Niemals und in keiner Form. Anabelisten sollen alles bestellen, was ihr Herz begehrt und was sie verkaufen möchten. Außer dem eBuch-Dispo-Team weiß nie- mand, was bei Verlagen direkt für das Zentrallager eingekauft wird. Und mit dem ANABEL-Besorgungsdienst (ABD) werden alle lieferbaren Titel besorgt.

Wird das Sortiment bei allen Anabelisten gleich?

Da jeder Anabelist frei und unbeeinflusst bestellen kann, dürfte es keine zwei sortimentsgleichen ANABEL-Buchhandlungen geben. Im Gegenteil: Da der Anabelist ohne Mindestbestellwerte einkauft, verkauft er mehr unterschiedliche Titel als andere in der eBuch organisierten Sortimentsbuchhändler. Und weil Anabelisten nur die Bücher einkaufen, hinter denen sie stehen, steht auch einem erfolgreichen Verkauf nichts entgegen.

Welche Voraussetzungen braucht man, um an ANABEL teilnehmen zu können?

Zu den technischen Voraussetzungen gehören ein Warenwirtschaftssystem oder die Web-Kasse BELAMI, ein Router und das Softwaremodul eBuch connect. Das Überlassen der täglichen Absatz- und Lagerzahlen ist bereits durch die eBuch-Mitgliedschaft sichergestellt. Bleibt noch die Bereitschaft und Verpflichtung, 80 % des Bestellvolumens über ANABEL abzuwickeln.

BELAMI ist eine speziell entwickelte internetbasierte Registrierkasse, die zunächst einmal alle Funktionen herkömmlicher Registrierkassen erfüllt: Bon und Rechnungen drucken, Bonjournal und Tagesabschluss erstellen sowie Kreditkarten verarbeiten. Aufgrund der Anbindung an das Internet hat der Benutzer von BELAMI aber auch die Möglichkeit, online zu bibliografieren, Lieferbarkeitsabfragen durchzuführen, zu bestellen, Kunden zu verwalten – und er kann die Leistungen von ANABEL in Anspruch nehmen.

Individuell, souverän, erfolgreich

Im Jahr 2010 verzeichnete eBuch den bislang größten Mitgliederzuwachs seit Bestehen. Die magische Zahl von 500 Mitgliedsbuchhandlungen ist geknackt. Dies ist nicht nur das Ergebnis zahlreicher und vielfältiger Aktivitäten, sondern es liegt auch an dem Versprechen, an dem die Gründungsmitglieder 2000 gefeilt haben. Damals, als man die Vision von einem Social Web hatte, ohne den Begriff dafür zu kennen. Und auch daran, wie konsequent dieses Versprechen im Laufe der Zeit umgesetzt wurde.

In Zeiten des Strukturwandels sollen eBuch-Mitglieder individuell, souverän und erfolgreich agieren können. Souverän wegen des problemlosen Datenhandlings. Erfolgreich, weil es gelingt, gemeinsame Interessen durch- zusetzen. Individuell, weil jeder auf seine Weise von der Gemeinschaft profitiert. In diesem Sinne praktizieren ca. 80 % der eBuchhandlungen das Einkaufsmodell ANABEL, rund 85 % der Mitglieder beziehen das Kundenmagazin buchaktuell, 30 % setzen den Weihnachtsprospekt von Rossipaul ein etc.

Jeder darf, niemand muss. Nur so entstehen Handlungsspielräume am Point-of-Sale: individuelle Sortimentszusammenstellung, individuelle Präsentation, individuelles Marketing. Handlungsspielräume, die nicht aus Werbekostenzuschüssen oder ähnlichen marktgängigen Win-Win-Modellen resultieren, sondern allein aus der Grundüberzeugung: Erfolg kommt nicht von allein. Erfolg kommt mit vielen.


Impressum *)

Herausgeber:eBuch, O‘Brien-Str. 3, 91126 Schwabach, www.ebuch.net
Konzept und Ideen:Holm Löwe, Lorenz Borsche
Autoren:Dr. Klaus-Wilhelm Bramann (Seite 08–21), Verleger des Bramann Verlages, Frankfurt Lorenz Borsche (Seite 22–45), Matthias Mayer (Seite 52–81)
Art Direction:Bruno Schwarz, www.brunoschwarz-design.de
Fotos:Noah Schuller, Fotolia, Lorenz Borsche, Matthias Mayer,
Jana Denzler (Seite 46), Tchibo GmbH (Seite 5)
Illustrationen:Bruno Schwarz

*) Diese Festschrift von 2010 wurde gedruckt ursprünglich im Jahr 2011 publiziert. Die Kapitelanordnung unterscheidet sich in der Webdarstellung.